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Reiterstandbild

1. Einleitung

Reiterstandbilder sind seit der griechischen Antike eine maßgebliche Repräsentationsform des Herrschers und Heros. Die Statuen sind lebens-, seit der Renaissance meistens überlebensgroß. Ein edles Material, zumeist Bronze, oft auch vergoldet, betont die Auszeichnung des Dargestellten. Das ⟶Pferd, traditionell Attribut des Herrschers und Heros, aber auch ein ⟶Adelsprivileg, wird vom Reiter dominiert. Die Kombination von menschlicher Kraft und Beherrschung des Tieres veranschaulicht den lenkenden Verstand des Dargestellten, dessen Macht und Befehlsgewalt oft durch entsprechende Attribute wie Schwert oder Feldherrenstab und symbolische Herrschaftszeichen wie Krone oder Zepter verdeutlicht werden. Überdies verdeutlichen Assistenzfiguren, Reliefs oder Inschriften auf oder neben dem Denkmalssockel die Heroik des Reiters. Dargestellt ist fast immer eine konkrete Gestalt aus Vergangenheit oder Gegenwart, selten ein Kollektiv zur Erinnerung an ein heroisches Opfer.

2. Systematik

2.1. Darstellungstypen

Unter den Reiterstandbildern lassen sich vier Darstellungstypen unterscheiden, die mit spezifischen Haltungen der Reiter und unterschiedlichen heroischen Bedeutungen korrelieren. Der Reihenfolge entspricht eine Abnahme der zur Schau gestellten militärischen Heroik zugunsten eines verinnerlichten heroischen Habitus.

1. ‚Steigender Typus‘ (‚in der Levade‘): Er zeigt den Reiter auf einem sich aufbäumenden Pferd. Der Reiter ist der Bewegung des Reittiers entsprechend aufgerichtet. Dieser demonstrative Darstellungstypus präsentiert den Reiter meist als kämpfenden Helden mit einer Waffe (Schwert, Säbel) in der Hand und entschlossenem Gesichtsausdruck. Oft sind auch die Feinde, denen der heroische Kampf gilt, exemplarisch (etwa am Boden liegende Sarazenen bei der Madonna delle Milizie im sizilianischen Scicli) oder allegorisch dargestellt (wie die Schlange unter dem sich aufbäumenden Ross in Falconets Skulptur Zar Peters d. Gr. in Sankt Petersburg, vgl. Abb. 1).

2. ‚Schreitender Typus‘: Dargestellt ist der Reiter auf einem Pferd in Bewegung. Diese Bewegung kann vom gemächlichen Passgang bis zum Galopp reichen; der Reiter repräsentiert meist den siegreichen Heros, sei es als Befehlshaber oder als souveräner Herrscher. Dieser Darstellungstypus verfügt hinsichtlich seiner ⟶Heroisierung über einen ziemlich großen Bedeutungsspielraum. Wie stark die heroische Semantik dieses schreitenden Darstellungstyps variieren kann, zeigen die beiden Farnese-Reiterdenkmäler von Francesco Mochi in Piacenza: Ranuccio I. Farnese (1569–1622), regierender Herzog von Parma und Piacenza, ist als souveräner Staatsmann mit einem Diplom in der Rechten inszeniert, das die Legitimität seiner Herrschaft verbürgt. (Vgl. Abb. 2.) Dagegen repräsentiert das flankierende Denkmal von Ranuccios verstorbenem Vater Alessandro Farnese (1545–1592), siegreicher General im spanisch-niederländischen Krieg, einen ganz anderen Heldentypus: Wie sein Pferd in energetischer Angriffshaltung und in der Rechten den Feldherrenstab haltend, verkörpert er den militärischen Helden. (Vgl. Abb. 3.) Noch stärker inszeniert wird die heroische Kampfeslust im Denkmal des spanischen Nationalhelden Rodrigo Díaz de Vivar genannt El Cid in Burgos, der mit wehendem Mantel und seinem berühmten, nach vorne gerichteten Langschwert Tizona auf einem galoppierenden Pferd voranreitet.

3. ‚Stehender Typus‘: Dieser Repräsentationstyp, der den Reiter auf einem stillstehenden Pferd darstellt, dessen Hufe den Boden berühren, ist eher modern, wenngleich die heroische Bedeutung nicht festgelegt ist. Es repräsentiert den herrschend-beherrschten Helden der Nachkriegszeit. Doch finden sich ganz unterschiedliche Heroisierungsfunktionen. So erinnert das imperialistische Kolonialkriegerdenkmal, das seit 1912 in Windhoek steht, an die im Kolonialkrieg gefallenen Deutschen. (Vgl. Abb. 4.) Der bewaffnete einfache ⟶Soldat, der wachsam nach vorn schaut und auf einem stillstehenden Pferd sitzt, warnt zugleich vor einer neuerlichen Auflehnung gegen die Kolonialmacht. Dass dieser Typus mehr den militärischen Sieg in Szene setzt, als triumphal an die Verluste zu erinnern, die diesen Sieg erst möglich machten, zeigt das fast zeitgleiche Grunwalddenkmal in Krakau. Doch gerade die demonstrative heroische Statuarik der Darstellung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich meist um polarisierende Denkmäler und die Heroisierung politisch umstrittener Figuren handelt.

4. Typus des ‚Nebeneinander‘: Der Reiter steht neben seinem Pferd, ist abgestiegen oder im Begriff, das Pferd zu besteigen; repräsentiert wird also entweder ein Moment vor oder nach einem Ritt. Ein Beispiel für diese seltene Sonderform des Reiterdenkmals wäre die von John Steell bereits 1832 geschaffene, aber erst 1884 eingeweihte Skulptur ‚Alexander und Bukephalos‘ in Edinburgh. (Vgl. Abb. 5.) Die Skulptur setzt die von Plutarch überlieferte Anekdote in Szene, der zufolge Alexander d. Gr. ein störrisches Pferd, sein späteres Schlachtross Bukephalos, ruhig und entschlossen zähmt. Durch den Kontrast zwischen dem sich wild aufbäumenden Pferd und der entschlossen-zärtlichen Geste Alexanders wird der große antike Held humanisiert. Zu dieser kleinen Typengruppe zählt auch das ursprünglich als Brunnenanlage konzipierte Herzog August-Denkmal in Wolfenbüttel (1904), in dem der Herzog neben seinem Pferd steht, das aus einer Quelle trinkt.

2.2. Relevante Aspekte der heroischen Semantik

Für die Semantik eines Reiterdenkmals von maßgeblicher Bedeutung ist der Aufstellungsort: Je öffentlicher, desto stärker ist der heroische Anspruch der solchermaßen repräsentierten Person oder die Demonstration der Macht, die mit dieser Aufstellung verbunden ist. So hatte der Söldnerführer Bartolomeo Colleoni (†1475) sich testamentarisch von der Republik Venedig ausbedungen, dass ein Reiterdenkmal von ihm vor der Kirche San Marco zu errichten sei. Die Stadt erfüllte diese unbillige Bedingung, indem sie das Denkmal neben der weniger prominenten Scuola di San Marco auf der Piazza San Giovanni e Paolo aufstellen ließ.

Entscheidend für die Heroik eines Reiterdenkmals sind auch plastische, bildliche wie textliche Zusätze. Hier kann es sich um Inschriften auf dem Denkmalssockel handeln, welche die Lesart der Skulptur steuern. So findet sich auf dem Sockel der Reiterskulptur Prinz Eugens von 1865 auf dem Wiener Heldenplatz unter Inschriftentafeln und Bronzeappliken mit Figuren, Früchten, Wappen und Schlachtennamen die Inschrift: „Dem ruhmreichen Sieger über Österreichs Feinde“; sie betont den heldentypischen Nachruhm. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal von 1896 in Düsseldorf zeigt zur Rechten Kaiser Wilhelms I., der als Feldherr zu Pferde dargestellt ist, die Allegorie des Sieges mit Lorbeerkranz, zur Linken die Kriegsfurie. Die Krönung der Germania, ein Adler und die Jahreszahlen „1870/1871“ integrieren die Skulptur in ein Narrativ, das Wilhelm I. als Sieger des Deutsch-Französischen Krieges und Neugründer des Deutschen Kaiserreichs heroisiert.

Reiterdenkmäler sind genderästhetische Demonstrationen männlicher Macht. In der Geschichte der Reiterdenkmäler finden sich anders als in Literatur oder Malerei – man denke nur an die Heroinen der italienischen Ritterepen – vergleichsweise wenige Darstellungen heroischer Frauen zu Pferde. Zu den Ausnahmen zählen die Prozessionsfigur der himmlischen Madonna delle Milizie in Scicli, die der Legende nach im Jahre 1091 auf einem weißen Pferd kämpfend, die Schlacht der Normannen gegen die Sarazenen in Sizilien zugunsten der Christen entschied1Die jährliche Dankprozession im sizilianischen Scicli beschließt ein „Inno di ringraziamento am Maria delle Milizie“, dessen Eingangsstrophe die synkretistische Überblendung der Marienfigur beweist: „Bella Amazzona invitta, Alta eroina, | Gloria del Paradiso, Onore del mondo, | Sopra bianco destrier, Scicli t’inchina“ [‚Schöne unbesiegte Amazone, große Heldin, Ruhm des Paradieses, Ehre der Welt, auf weißem Pferd, Scicli verneigt sich vor Dir‘.]. Vgl. Trigilia, Melchiorre: La Madonna dei Milici di Scicli. Modica 1990: Setim. (vgl. Abb. 6), oder die zahlreichen Reiterskulpturen der Jeanne d’Arc in Frankreich (vgl. Abb. 7).



3. Historie

3.1. Antike

Reiterstandbilder reichen zurück ins antike Griechenland. Reiterstatuen im schreitenden Typus existierten bereits im 6. Jh. v. Chr. und stellten Heroen oder Mitglieder der Elite dar.2So die Marmorstatue des sogenannten ‚Reiters Rampin‘ (um 560/50 v. Chr.) aus dem Athenaheiligtum der Athener Akropolis, die einen hochrangigen Athener oder einen Heros (einen der Dioskuren?) darstellt: „Fragmentierter Reiter, Rampin“. In: Arachne (Bilddatenbank). Online unter: http://arachne.uni-koeln.de/item/objekt/221183. (Zugriff am 10.04.2019.) (Vgl. Abb. 8.) Der Statuentypus des ‚steigenden Pferdes‘ hat, nach ikonographischen Vorläufern in Reliefkunst und Malerei, seine Ursprünge in einer Bronzestatue Alexanders d. Gr. (356–324 v. Chr.) von der Hand des Lysipp. C. Iulius Caesar ließ sie kurz nach 46 v. Chr. zu einem eigenen Bildnis umgestalten und auf dem ‚Forum Caesaris‘ in Rom aufstellen, wo sie seither öffentlich sichtbar war.3Plinius: „Naturalis Historia 8“, 155; Suetonius: „Vita Divi Iulii“, 61; Statius: „Silvae 1, 1“, 84-87. Alexander d. Gr. beauftragte Lysipp auch mit der Errichtung bronzener Reiterstatuen, um gefallene Reiter seiner Gardetruppe zu verewigen.4Calcani, Giuliana: Cavalieri di bronzo. La torma di Alessandro opera di Lisippo. Rom 1989. Hellenistische Herrscher wurden ebenfalls durch Reiterdenkmäler geehrt, aber auch Sportler, wie die bronzene Statue vom Kap Artemision in Athen zeigt.5Hemingway, Sean A.: The Horse and Jockey from Artemision. A Bronze Equestrian Monument of the Hellenistic Period. Berkeley 2004: University of California Press; siehe dazu „Statue eines reitenden Knaben“. In: Arachne (Bilddatenbank). Online unter: http://arachne.uni-koeln.de/item/objekt/978. (Zugriff am 10.04.2019.) (Vgl. Abb. 9.) Das antike Rom nahm den Typus im Zuge der Hellenisierung der Stadt im späten 4. Jh. v. Chr. für seine Feldherrn auf. Bekannt ist die vergoldete ‚schreitende‘ Reiterstatue Sullas an der Rednertribüne des Forum Romanum (um 80 v. Chr.).6Sehlmeyer, Markus: Stadtrömische Ehrenstatuen der republikanischen Zeit. Stuttgart 1999: Steiner, 204-209; auf Münzen abgebildet: siehe dazu „RRC 381/1a“. In: CRRO. Online unter: http://numismatics.org/crro/id/rrc-381.1a?lang=de. (Zugriff am 10.04.2019.) (Vgl. Abb. 10.) In der Kaiserzeit blieben Reiterstandbilder als Ehrenmonumente zwar nicht auf Mitglieder der kaiserlichen Familie beschränkt, doch wurden sie vornehmlich für diese verwendet. Der Darstellungstypus des ‚steigenden‘ Pferdes trat dabei zurück gegenüber demjenigen des ‚schreitenden‘.7Bergemann, Johannes: Römische Reiterstatuen. Ehrendenkmäler im öffentlichen Bereich. Mainz 1990: von Zabern. Unzerstört erhalten und immer sichtbar blieb die schreitende, ehemals vergoldete Reiterstatue des Marc Aurel (ca. 177–180 n. Chr.) auf dem Kapitol, die das Muster aller nachantiken Reiterdenkmäler abgab.8Melucco Vaccaro, Alessandra (Hg.): Marco Aurelio. Storia di un monumento e del suo restauro. Cinisello Balsamo 1989: Silvana; von der Burg, Detlev (Hg.): Marc Aurel. Der Reiter auf dem Kapitol. München 1999: Hirmer. (Vgl. Abb. 11.)

3.2. Mittelalter und Frühe Neuzeit

Das Mittelalter kennt freiplastische Reiterstatuen entweder nur als Grabdenkmal oder als Darstellung berittener Heiliger wie Sankt Martin. Sie sind meist aus Stein gemeißelt wie etwa der Bamberger Reiter aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, der auf einer Konsole am Nordpfeiler im Bamberger Dom angebracht ist.9Grebe, Anja: „Der Bamberger Reiter im Kontext der mittelalterlichen Reiterskulptur“. In: Albrecht, Stephan (Hg.): Der Bamberger Dom im europäischen Kontext. Bamberg 2015: University of Bamberg Press, 193-242. (Vgl. Abb. 12.) Es zeigt einen bekrönten jungen Mann, der lässig auf einem stehenden Pferd sitzt, mit der Rechten seinen Mantel sowie mit der Linken locker das Zaumzeug hält und in den offenen Kirchenraum blickt. Bis heute streitet die Forschung über die Identität des Dargestellten. Die Deutungen reichen von einem Heiligen (Heiliger Stephan oder einer der Heiligen Drei Könige) bis hin zum Grabdenkmal eines weltlichen Herrschers, wobei die These recht plausibel ist, der Dargestellte sei der römisch-deutsche König Philipp von Schwaben, der 1208 in Bamberg ermordet worden war. Die Heroisierung als christlicher Held resultiert aus dem entschlossenen Blick zum Altar sowie aus dem sakralen Aufstellungsort. Damit ähnelt die Skulptur frühen Darstellungen des Heiligen Martin zu Pferd, der seinen Mantel teilt, um einem frierenden Bettler zu helfen. Die Steinskulptur im Dom zu Lucca betont mit dem aus Metall eingefügten Schwert des Heiligen seinen Status eines heroischen Ritters.

In der Neuorientierung an der Antike griff die Renaissance auch das Reiterdenkmal auf. Die Statue des Marc Aurel wurde das Vorbild für die Reiterdenkmäler italienischer Söldnerführer, sogenannter ‚Condottieri‘, allesamt im schreitenden Typus realisiert. Die Typenreihe eröffnet die hölzerne Reiterfigur des 1405 gestorbenen Condottiere Paolo Savelli in der Kirche S. Maria Gloriosa dei Frari in Venedig. Sie ist allerdings wohl wie die heroisierenden Nischenfiguren erst nach 1420 dem Grabmal hinzugefügt worden.10Beuing, Raphael: Reiterbilder der Frührenaissance. Monument und Memoria. Münster 2010: Rhema, 104-106. Während das Reiterdenkmal des Renaissance-Condottiere Gattamelata (eigentlich Erasmo da Narni) von Donatello (1453) in seiner Darstellung den Verstorbenen zum ethischen Vorbild überhöht (vgl. Abb. 13), glorifiziert Verrocchios Denkmal des Bartolomeo Colleoni (1495) in der entschlossenen Pose die heroische Tatkraft der Dargestellten.

Das wohl erste europäische Reiterdenkmal in Bronze nach dem Fall des Römischen Reichs ist das Denkmal für den Markgrafen Niccolò III. von Este (gest. 1441).11Rosenberg, Charles M.: The Este Monuments and Urban Development in Renaissance Ferrara. Cambridge 1997: Cambridge University Press , 50-82. Nach dessen Tod hatte sein Sohn und Nachfolger Leonello einen künstlerischen Wettbewerb für ein Reiterdenkmal ausgeschrieben, für den er den prominenten Florentiner Humanisten Leon Battista Alberti zum Schiedsrichter bestellte. Den antikisierenden Marmorbogen als Sockel und das Bronzepferd schuf Niccolò Baroncelli, die Figur des Niccolò Antonio di Cristoforo. Das Originaldenkmal aus dem Jahre, das 1451 vor dem Palazzo Communale in Ferrara aufgestellt wurde, ist durch eine Federzeichnung aus dem 17. Jahrhunderts überliefert, da es im Verlauf der Napoleonischen Besetzung 1796 zerstört wurde. Die Reiterstatue, die heute den Originalbogen ziert, ist eine Replik von Giacomo Zilocchi (1927). (Abb. 14.)

Die Illustrationen, die Johannes Stradanus 1590 zu den zwölf Kaiser-Viten des Sueton anfertigte, sind allesamt Reiterbildnisse. (Vgl. Abb. 15.) Sie entwerfen sämtliche Muster des schreitenden und steigenden Reiterbildnisses und blieben für die Reiterdenkmäler des 17. und 18. Jahrhunderts von maßgeblicher Bedeutung. Zwei unterschiedliche Heldentypen stellen die beiden schreitenden Farnese-Reiterskulpturen in Piacenza (1620 und 1625) dar, die Francesco Mochi schuf: Alessandro verkörpert den Kriegshelden, Ranuccio den Friedenshelden. Diese differente Heroik verdeutlichen auch die Sockelreliefs: Während auf dem Sockel des Denkmals für Alessandro Farnese zwei militärische Heldentaten dargestellt sind, die Belagerung Antwerpens und die Befreiung von Paris, zieren den Sockel der Ranuccio-Statue die Allegorien der ‚Guten Herrschaft‘ und des Friedens und verherrlichen ihn als Friedensfürsten. Während ein Reiterdenkmal für König Heinrich IV. auf dem Pariser Pont Neuf erst nach seinem Tod errichtet wurde (1614), wurden im 17. Jahrhundert Reiterdenkmäler dann in ganz Europa auch zur bevorzugten Repräsentationsform lebender Herrscher. Ein Beispiel dafür ist eines der ersten nachantiken Reiterstandbilder im ‚steigenden Typus‘, die Bronzestatue Erzherzogs Leopold V. von Tirol in Innsbruck (Caspar Gras, gegen 1630). Beispielhaft ist auch das von Gabriel Grupello im Auftrag des Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg geschaffene Reiterdenkmal. (Vgl. Abb. 16.) Die Darstellung betont sowohl die Kurwürde wie die militärische Macht: Der Landesvater ‚Jan Wellem‘ sitzt aufrecht in voller Rüstung, mit Kurhut, Ordenskette und Marschallstab, auf dem trabenden Pferd. Zwar unterblieb in diesem Falle die ursprünglich geplante allegorische Überhöhung Jan Wellems auf dem Sockel; doch wurden Reiterstatuen in der Frühen Neuzeit gerne zur Allegorisierung der Herrschaft genutzt, indem man in das Denkmal, sei es im Sockel oder der Statue selbst zugeordnet, Besiegte oder Tugenden anbrachte. So referiert Berninis Statue für König Ludwig XIV., das den französischen Monarchen zeigt, der einen Felshang hinaufreitet, auf das Präfigurat von Herakles’ Tugendweg.12Wittkower, Rudolf: „The Vicissitudes of a Dynastic Monument. Bernini’s Equestrian Statue of Louis XIV“. In: Meiss, Millard (Hg.): Essays in Honor of Erwin Panofsky. Band 1. New York 1961: New York University Press, 497-531.

3.3. 18. Jahrhundert

Eine neue Entwicklung deutete sich mit dem 18. Jahrhundert an: Einerseits wurde das Bewegungspathos traditioneller Reiterstandbilder noch gesteigert. Diese Entwicklung bezeugt etwa der ‚Goldene Reiter‘, die Reiterskulptur des Sächsischen Kurfürsten und Polnischen Königs August des Starken, die 1735 auf dem Neustädter Markt in Dresden enthüllt wurde. (Vgl. Abb. 17.) Die nach einem Entwurf von Jean Joseph Vinache von Ludwig Wiedemann in Kupfer getriebene und feuervergoldete Skulptur zeigt August als römischen Caesar in typischer Rüstung. Seine Darstellung mit dem Marschallstab in der Rechten symbolisiert insofern seine Rückgewinnung der polnischen Krone, reitet er doch in nordöstlicher Richtung zum polnischen Königreich auf einem sich aufrichtenden Lipizzanerhengst. Noch stärker bewegt ist die postume, von Falconet geschaffene, ‚steigende‘ Statue von Peter dem Großen in Sankt Petersburg (1782). Sie zeigt den Zaren auf einem sich über einer Schlange bäumenden Pferd. Doch neben solchen bewegt-steigenden Reiterdenkmälern ist gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts eine klassizistische Dämpfung des heroischen Pathos festzustellen. Paradigmatisch dafür ist das bleierne Denkmal für Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen in der Wiener Hofburg (1781), dessen Heroik in der stillen Größe der ruhigen Statuarik liegt. (Vgl. Abb. 18.)

Im 18. Jahrhundert nimmt aber tendenziell nicht nur die heroisierende Entrückung durch Antikisierung ab, es finden sich auch erstmals nichtdynastische Denkmäler. So ließ Friedrich der Große zunächst für die zwei im Siebenjährigen Krieg gefallenen Generäle v. Schwerin und v. Winterfeldt Reiterdenkmäler in Berlin errichten, denen kurz darauf die „Staatsdienerdenkmäler“ für die Generäle Seydlitz und Keith folgten. Während die ersten beiden Feldherrenstatuen antikes Kostüm tragen, sind Seydlitz und Keith in ihren historischen Uniformen dargestellt.

Doch gehörte im 18. Jahrhundert das Pferd immer noch untrennbar zur Königs- und Herrscherwürde. Und so war es mehr als nur ein revolutionäres Symbol, dass am 11. und 12. August 1792 in Paris die vier Reiterstatuen der Bourbonenkönige und kurz darauf auch das Reiterstandbild Heinrichs IV. gestürzt wurden.13Raulff, Ulrich: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung. 6. Auflage. München 2016: Beck, 255. Nach Verlesung der Unabhängigkeitserklärung hatten schon die Bürger von New York am 9. Juli 1776 das Reiterstandbild von Georg III. gestürzt.

3.4. 19. Jahrhundert

Auch wenn über Reiterstandbilder um 1800 ebenso gestritten wurde wie um Reitergemälde, blieben sie die zeitgemäße Herrscherdarstellung. Unter den achtzehn Entwürfen zu einem Denkmal für Friedrich den Großen, die 1791 in einer Kunstausstellung präsentiert wurden, finden sich fünfzehn Entwürfe für ein Reiterstandbild.14Vomm, Wolfgang: Reiterstandbilder des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland. Zum Verständnis und zur Pflege eines traditionellen herrscherlichen Denkmaltyps im Historismus. Band 1. Bergisch Gladbach 1979, 63-76. Die Entscheidung verzögerte sich aber wegen der „Kostümfrage“, ob Friedrich der Große im antiken oder zeitgenössischen Kostüm dargestellt werden sollte. Schließlich setzte sich die realistische Fraktion durch, die für ein „Teutsches Costüm“ plädierte, da der Gedanke der „Vergöttlichung“, der mit dem antiken Gewand betont werden sollte, dem aufgeklärten preußischen Herrscher nicht entspreche. Auch die Entscheidung, ob Friedrich der Große einen ⟶Lorbeerkranz oder den Dreispitz tragen sollte, zog sich lange hin. Endlich erhielt Christian Daniel Rauch den Auftrag zur Errichtung des Denkmals, das erst 1851 eingeweiht wurde. (Vgl. Abb. 19.) Die diversen Vorschläge und Änderungen, welche die lange Entstehungsgeschichte begleiteten, zeigen paradigmatisch, wie sich die Denkmalsauffassung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandelte. So wurden neben vier Eckreitern und den Helden des Siebenjährigen Krieges auch Kulturheroen wie Lessing und Kant auf dem Sockel verewigt, die sich um den Staat verdient gemacht hatten. Friedrich selbst ist in schlichter Militärkleidung dargestellt. Die Geschichte dieses Denkmals, das in der DDR erst abgebaut, dann an anderer Stelle wiedererrichtet wurde, zeigt, wie schwierig es war, in demokratischen Zeiten mit monarchischen Denkmälern umzugehen. Das betrifft auch die Denkmäler, die Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet wurden, wie etwa das historische Reiterstandbild für den ersten Bayerischen Kurfürsten Maximilian, das König Ludwig I. bei Berthel Thorvaldsen in Auftrag gab, oder das Wellington-Denkmal in Glasgow. Kurz nach Mitte des 19. Jahrhunderts inszenierte sich das österreichische Kaisertum als traditionelle militärische Macht mit zwei Reiterdenkmälern (1860/65) auf dem Burgplatz, der danach in „Heldenplatz“ umbenannt wurde (1878). Glorifiziert werden in steigenden Reiterdenkmälern des Bildhauers Anton Dominik Fernkorn Erzherzog Karl (1771–1847), der Sieger von Aspern über Napoleon (1809), und Prinz Eugen. Beide werden als Feldherren verherrlicht. Die Reiterstatue Erzherzogs Karl (vgl. Abb. 20) mit einer nach vorne gereckten Fahne in der Rechten greift eine legendenhaft überhöhte Anekdote aus der Schlacht von Aspern auf: Als die österreichische Frontlinie im Zentrum nachgab, soll der Erzherzog Karl die Fahne des Infanterieregiments Zach gefasst und, indem er damit an die Front preschte, die Reihen der österreichischen Armee wieder geschlossen und zum Sieg geführt haben. Fernkorns Darstellung des Erzherzogs mit der Fahne auf dem sich bäumenden Pferd folgt einem Historiengemälde von Johann Peter Krafft, der seinerseits auf Jaques-Louis Davids berühmte Darstellung Napoleons bei der Überquerung der Alpen beim Großen Sankt Bernhard zurückgreift. Prinz Eugen, ebenfalls im steigenden Typus dargestellt, wird auf dem Sockel mit den Inschriften zum „Edlen Ritter“, „weisen Ratgeber dreier Kaiser“ und „ruhmreichen Sieger über Österreichs Feinde“ heroisiert. Feldzeug mit Halbmond unter den erhobenen Vorderbeinen des Pferdes erinnern an seine Türkenkriege. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrten sich die stillstehenden Reiterdenkmäler. Sie heroisieren Herrscherfiguren oder militärische Führer nicht mehr mit triumphalem Pomp, sondern eher als in sich ruhende Helden und Staatsführer.

Die Zeit zwischen 1870 und 1914 ist nicht nur das Goldene Zeitalter der Denkmäler, sondern auch der Reiterdenkmäler. In Frankreich etwa wurde nach dem verlorenen Deutsch-Französische Krieg viel symbolisches Kapital in die Verehrung und Verherrlichung von Nationalhelden investiert. So wurde 1874 die vergoldete Bronzestatue der Jeanne d’Arc errichtet, die in der Rechten eine Fahne trägt und auf dem schreitenden Pferd furchtlos voranreitet. (Vgl. Abb. 21.) Auch wenn der Bildhauer Etienne Frémiet wegen der Kritik an den Proportionen die Skulptur im Jahre 1900 durch eine verbesserte Version ersetzte, ist die Statue bis heute ein nationaler Erinnerungsort in Frankreich. Eine ungewöhnliche bellizistische Variante der Heiligen Jungfrau von Orléans repräsentiert die Version des französischen Künstlers Jules Roulleau, die im Jahre 1893 in Chinon eingeweiht wurde. (Vgl. Abb. 22.) Dargestellt ist die im vollen Galopp über am Boden liegende Feinde hinwegreitende Johanna, in der Linken die Glaubensfahne, ihr Erkennungszeichen, in der Rechten ein Schwert hochhaltend, was den triumphalen Gestus der Skulptur verstärkt.

In Deutschland suchte man mit Reiterdenkmälern die nationale Tradition des kleindeutschen Reiches und Kaisertums zu stärken. Die imperiale Präfiguratsidee in dynastischen Reiterdenkmälern zeigt sich etwa im Kaiserdenkmal auf dem Kyffhäuser aus dem Jahre 1896, wo die Reiterstatue Kaiser Wilhelms I. als „Barbablanca“ mit der Barbarossa-Figur parallelisiert wird. (Vgl. Abb. 23.) Ganz ähnlich verherrlicht das von den Künstlern Bruno Schmitz und Emil Hundrieser entworfene Kaiser Wilhelm-Denkmal auf dem Deutschen Eck in Koblenz die neue chauvinistische Reichsidee (1897). Hundriesers kolossale Reiterstatue zeigt Kaiser Wilhelm in wallendem Hermelinmantel, den Kommandostab in der Rechten und einen Federbuschhelm auf dem Kopf. (Vgl. Abb. 24.)

Weniger ausgeprägt ist der kollektive Typus des Reiterdenkmals. Er begegnet als Gefallenendenkmal etwa in Hamburg, das „die dankbare Vaterstadt […] den tapferen Söhnen“ widmete, die im Krieg 1870/71 gefallen waren.15Vomm: „Reiterstandbilder“, 1979, 310-312. (Vgl. Abb. 25.) Es ist ein Denkmal mit überindividuellem Gedächtnischarakter, das einen tödlich verwundeten Ulanen auf einem zusammengebrochenen Pferd zeigt, ein Friedensengel küsst dem Sterbenden die Stirn. Noch stärker gegen den imperialen Pomp der Reiterdenkmäler für die Hohenzollern, wie sie etwa die Kölner Rheinbrücke schmücken, richtet sich das auf eine Bürgerinitiative zurückgehende Denkmal für Herzog August II. von Braunschweig-Wolfenbüttel. Es zeigt den Fürsten neben seinem Pferd bei einer Quelle, deren fortdauerndes Fließen zum Symbol für die Überwindung des Dreißigjährigen Krieges dient. Dass der Fürst vom Pferd gestiegen ist, heroisiert ihn auf ganz andere Weise, nämlich als populären Landesherrn, dem die Bedürfnisse des Volkes am Herzen liegen.

3.5. 20. Jahrhundert

Das 20. Jahrhundert zeigt eine zunehmende Politisierung der Reiterdenkmäler. Exemplarisch dafür ist Antoni Wiwulskis Grunwalddenkmal, das 1910 in Krakau zum fünfhundertjährigen Jubiläum des Sieges des polnisch-litauischen Heeres über ein Deutschordensheer bei Grunwald (im kollektiven Gedächtnis der Deutschen bei Tannenberg) errichtet wurde. (Vgl. Abb. 26.) Es präsentiert den polnischen König Władysław II. Jagiełło als heldenhaften Sieger auf einem stillstehenden Pferd. Sein Schwert zeigt nach beendetem Kampf nach unten. Die Sockelstatuen, darunter der litauische Prinz Vytautas, gestützt auf ein riesiges Schwert, und die Liegeplastik des sterbenden Hochmeisters der Ordensritter, Ulrich von Jungingen, erinnern an den Verlauf der verlust-, aber siegreichen Schlacht und erhöhen buchstäblich den Reiter. Als das nationalsozialistische Deutschland Polen besetzte, wurde 1939/40 das als antideutsch verstandene Denkmal zerstört, bevor dann 1976 wieder eine Kopie aufgestellt wurde. Durchaus politische Ambitionen lagen auch dem 1929 errichteten 15 Meter hohen Ulanendenkmal in Düsseldorf zugrunde, das an die Opfer des nach dem Ersten Weltkrieg aufgelösten 5. Ulanenregiments erinnern soll. Der uniformierte Ulane auf dem sich aufbäumenden Pferd hält eine hoch aufgerichtete Lanze in der Rechten, was seine Entschlossenheit und heroische Kampfbereitschaft unterstreicht – in Zeiten der Entmilitarisierung Deutschlands und zum Ende der alliierten Rheinlandbesetzung durchaus eine politische Botschaft. Die nationalistische Tendenz von Reiterskulpturen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erfasste sogar die demokratische Schweiz, wie das Zürcher Reiterdenkmal des autokratisch regierenden Zürcher Bürgermeisters Hans Waldmann aus dem Jahre 1937 am Fraumünster bezeugt. Waldmann hatte in der Schlacht bei Murten im Jahre 1476 das eidgenössische Heer angeführt, war aber nach stadtinternen Machtkämpfen abgesetzt und hingerichtet worden. Da sich keine städtische Mehrheit für das Reiterdenkmal des seit dem 19. Jahrhundert heroisierten Waldmann fand, finanzierte die Zunft zum Kämbel das von dem Künstler Hermann Haller gestaltete Denkmal ihres legendären Zunftmeisters aus dem 15. Jahrhundert als Symbol einer wehrhaften Schweiz.

Im 20. Jahrhundert dienten Reiterdenkmäler vorzugsweise in autokratisch regierten Ländern auch der Durchsetzung und Verherrlichung von Nationalhelden. So heroisierte der österreichische Bildhauer Heinrich Krippel in monumentalen Reiterdenkmälern den türkischen Staatsgründer Mustafâ Kemâl Pascha genannt Atatürk. Die Reiterstatue in der Hafenstadt Samsun aus dem Jahre 1931, die Krippel zu Atatürks Lebzeiten schuf, stellt Mustafâ Kemâl in Militäruniform auf einem sich bäumenden Pferd dar. (Vgl. Abb. 27.) Mit der Rechten fasst er den Knauf des Schwertes, um es aus der Scheide zu ziehen, und fixiert dabei einen imaginären Feind. Mit dem steigenden Typus wird die heroische Energie und Entschlossenheit des türkischen Staatsführers verherrlicht, mit der er den türkischen Unabhängigkeitskrieg führte. Dagegen zeigt Krippels Siegesdenkmal (1927) auf dem Ulus-Platz in Ankara Mustafâ Kemâl zwar auch als Reiter in Offiziersuniform, aber diese Version zeigt den repräsentativeren schreitenden Denkmalstypus (vgl. Abb. 28): Zwei kämpfende Soldaten übernehmen in dieser Statue den militanten Part, während Kemal die Zügel ruhig in beiden Händen hält. Seine Pose passt zu dem Ort der Aufstellung, dem damaligen Parlament, und präsentiert Atatürk als wehrhaften, aber souveränen Staatsmann. Während der Atatürk-Kult bis heute als Gründungsmythos der modernen Türkei fungiert, dient Atatürk nun dem gegenwärtigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als Präfigurat. Als dieser bei der Einweihungsfeier eines Stadtparks in Istanbul vom Pferd fiel, war dies für türkische Karikaturisten eine willkommene Gelegenheit, den Personenkult des Präsidenten zu verspotten. Der Durchsetzung eines Nationalhelden dient auch die Reiterstatue des politisch umstrittenen finnischen Militär- und Staatsführers Karl Gustav Emil Mannerheim in Helsinki aus dem Jahre 1960. (Vgl. Abb. 29.) Mannerheim hatte zwar als „blutiger Baron“ und „Weißer Teufel“ die Bolschewisten in Finnland unterdrückt, aber im Zweiten Weltkrieg als Oberbefehlshaber der finnischen Armee im Winterkrieg die Unabhängigkeit Finnlands gegen Russland verteidigt, ohne sich Hitler zu unterwerfen. Das Denkmal verherrlicht nicht den Krieger, sondern den ruhig auf dem Pferd sitzenden Staatsmann.

Wie problematisch in der europäischen Nachkriegsära Reiterdenkmäler wurden, zeigt die sieben Meter hohe Bronzestatue für den Generalissimo Franco, die, eine Kopie einer Statue in Santander, seit 1964 den Rathausplatz in Madrid dominierte. Sie wurde erst im Dezember 2008 in einer Nacht-und-Neben-Aktion vom Sockel geholt und in eine Lagerhalle verbracht. Auch das Original in Santander wurde inzwischen abgebaut. Die auch heute noch anhaltende Bedeutung von Reiterdenkmälern von Nationalhelden wird am langwierigen Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland ersichtlich. Griechenland beansprucht die historische Landschaft und den berühmten Eroberer Alexander den Großen für sich, wie etwa dessen Statue in Thessaloniki zeigt. Um den großen Feldherrn als eigenen Nationalhelden zu reklamieren, ließ die nationalkonservative Regierung der ehemaligen Republik Mazedonien im Jahre 2014 in der Hauptstadt Skopje, und noch dazu auf dem zentralen Plostad Makedonija, eine 22 Meter hohe Kolossalskulptur Alexanders des Großen errichten. (Vgl. Abb. 30.) Die Reiterstatue Alexanders steht auf einem riesigen Sockel über einem weiten Rondell, das acht Bronzelöwen schmücken. Den politischen Anspruch auf den makedonischen Nationalhelden verdeutlichen der bäumende Typus und der Umstand, dass Alexander sein Schwert in die Höhe reckt. Im Zuge des Streits um den Namen Makedonien hat Griechenland inzwischen eingelenkt und den neuen Namen „Nordmakedonien“ akzeptiert. Die Republik will nun ihrerseits die provokante Alexanderstatue zum Denkmal eines anonymen Kriegers herabstufen und so politisch entschärfen.

4. Forschungsperspektiven

Lange überwog in der Kunstgeschichte die Erforschung der Einzeldenkmäler und ihrer Entstehungsgeschichte. Die jüngere Forschung hat im Zuge der ‚Mythomotorik‘ (Assmann) und der politischen Ikonographie vor allem die Funktionsgeschichte der Reiterdenkmäler untersucht. Erst ansatzweise erkundet ist der Aspekt der Heroisierung, der vor allem den bildkünstlerischen Strategien und Techniken einer überwältigenden Ästhetik gilt, die vom Betrachter Distanzierung, Bewunderung und Verehrung fordert. In diese Richtung weist die antike ‚Erfindung‘ und spätere Neuschöpfung und Rezeption des ‚steigenden‘ Typus, die die dynamische Tat hervorhebt und den Betrachter distanziert. Hier können intermediale Studien, welche dem Austausch der Darstellungspraktiken in den verschiedenen Medien nachgehen, weiterführen. Auch Aspekte der Kulturtransferforschung, die sich der kulturellen Aneignung fremder Muster in Zitation und Inversion widmet, können die Dialogizität der Heroisierungskonzepte im kulturellen Austausch erhellen.

5. Einzelnachweise

  • 1
    Die jährliche Dankprozession im sizilianischen Scicli beschließt ein „Inno di ringraziamento am Maria delle Milizie“, dessen Eingangsstrophe die synkretistische Überblendung der Marienfigur beweist: „Bella Amazzona invitta, Alta eroina, | Gloria del Paradiso, Onore del mondo, | Sopra bianco destrier, Scicli t’inchina“ [‚Schöne unbesiegte Amazone, große Heldin, Ruhm des Paradieses, Ehre der Welt, auf weißem Pferd, Scicli verneigt sich vor Dir‘.]. Vgl. Trigilia, Melchiorre: La Madonna dei Milici di Scicli. Modica 1990: Setim.
  • 2
    So die Marmorstatue des sogenannten ‚Reiters Rampin‘ (um 560/50 v. Chr.) aus dem Athenaheiligtum der Athener Akropolis, die einen hochrangigen Athener oder einen Heros (einen der Dioskuren?) darstellt: „Fragmentierter Reiter, Rampin“. In: Arachne (Bilddatenbank). Online unter: http://arachne.uni-koeln.de/item/objekt/221183. (Zugriff am 10.04.2019.)
  • 3
    Plinius: „Naturalis Historia 8“, 155; Suetonius: „Vita Divi Iulii“, 61; Statius: „Silvae 1, 1“, 84-87.
  • 4
    Calcani, Giuliana: Cavalieri di bronzo. La torma di Alessandro opera di Lisippo. Rom 1989.
  • 5
    Hemingway, Sean A.: The Horse and Jockey from Artemision. A Bronze Equestrian Monument of the Hellenistic Period. Berkeley 2004: University of California Press; siehe dazu „Statue eines reitenden Knaben“. In: Arachne (Bilddatenbank). Online unter: http://arachne.uni-koeln.de/item/objekt/978. (Zugriff am 10.04.2019.)
  • 6
    Sehlmeyer, Markus: Stadtrömische Ehrenstatuen der republikanischen Zeit. Stuttgart 1999: Steiner, 204-209; auf Münzen abgebildet: siehe dazu „RRC 381/1a“. In: CRRO. Online unter: http://numismatics.org/crro/id/rrc-381.1a?lang=de. (Zugriff am 10.04.2019.)
  • 7
    Bergemann, Johannes: Römische Reiterstatuen. Ehrendenkmäler im öffentlichen Bereich. Mainz 1990: von Zabern.
  • 8
    Melucco Vaccaro, Alessandra (Hg.): Marco Aurelio. Storia di un monumento e del suo restauro. Cinisello Balsamo 1989: Silvana; von der Burg, Detlev (Hg.): Marc Aurel. Der Reiter auf dem Kapitol. München 1999: Hirmer.
  • 9
    Grebe, Anja: „Der Bamberger Reiter im Kontext der mittelalterlichen Reiterskulptur“. In: Albrecht, Stephan (Hg.): Der Bamberger Dom im europäischen Kontext. Bamberg 2015: University of Bamberg Press, 193-242.
  • 10
    Beuing, Raphael: Reiterbilder der Frührenaissance. Monument und Memoria. Münster 2010: Rhema, 104-106.
  • 11
    Rosenberg, Charles M.: The Este Monuments and Urban Development in Renaissance Ferrara. Cambridge 1997: Cambridge University Press , 50-82.
  • 12
    Wittkower, Rudolf: „The Vicissitudes of a Dynastic Monument. Bernini’s Equestrian Statue of Louis XIV“. In: Meiss, Millard (Hg.): Essays in Honor of Erwin Panofsky. Band 1. New York 1961: New York University Press, 497-531.
  • 13
    Raulff, Ulrich: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung. 6. Auflage. München 2016: Beck, 255.
  • 14
    Vomm, Wolfgang: Reiterstandbilder des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland. Zum Verständnis und zur Pflege eines traditionellen herrscherlichen Denkmaltyps im Historismus. Band 1. Bergisch Gladbach 1979, 63-76.
  • 15
    Vomm: „Reiterstandbilder“, 1979, 310-312.

6. Ausgewählte Literatur

  • Bergemann, Johannes: Römische Reiterstatuen. Ehrendenkmäler im öffentlichen Bereich. Mainz 1990: von Zabern.
  • Eaverly, Mary A.: Archaic Greek Equestrian Sculpture. Ann Arbor 1995: University of Michigan Press.
  • Hunecke, Volker: Europäische Reitermonumente: Ein Ritt durch die Geschichte Europas von Dante bis Napoleon. Paderborn 2008: Schöningh.
  • Keller, Ulrich: „Reiterstandbild“. In: Handbuch der politischen Ikonographie. Band 2. München 2011: Beck, 303–309.
  • Poeschke, Joachim / Weigel, Thomas / Kusch-Arnhold, Britta (Hg.): Praemium Virtutis III. Reiterstandbilder von der Antike bis zum Klassizismus. Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Münster 2008: Rhema.
  • Roques de Maumont, Harald von: Antike Reiterstandbilder. Berlin 1958: de Gruyter.
  • Siedentopf, Heinrich B.: Das hellenistische Reiterdenkmal. Waldsassen 1968: Stiftland.

7. Abbildungsnachweise

Zitierweise

Achim Aurnhammer / Ralf von den Hoff: Reiterstandbild. In: Compendium heroicum. Hg. von Ronald G. Asch, Achim Aurnhammer, Georg Feitscher und Anna Schreurs-Morét, publiziert vom Sonderforschungsbereich 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen“ der Universität Freiburg, Freiburg 18. Februar 2020. DOI: 10.6094/heroicum/rsbd1.1.20200218